Schiff ahoi: Daniel Buchberger und die neue Ära des Fährschiffs „Richmond“

Seit fast einem Jahrhundert verbindet die Autofähre Konstanz-Meersburg die beiden Ufer des Bodensees, ein lebendiges Zeugnis für die Tradition des Schiffbaus und die Bedeutung der Wasserwege für die Region.

Doch hinter dieser historischen Verbindung steht eine konstante Weiterentwicklung und Modernisierung.

Im Zuge eines neuen Kapitels in der Geschichte dieses bedeutende Transportsystems steht Daniel Buchberger im Mittelpunkt.
Als Projektleiter bei der Stadtwerke Konstanz GmbH leitet er das Neubauprojekt des Fährschiffs „Richmond“, ein Vorhaben, das nicht nur die Zukunft des Transports über den Bodensee prägen wird, sondern auch eine Hommage an die maritime Tradition der Region darstellt. Seit seinem Eintritt bei den Stadtwerken Konstanz im Jahr 2021 ist Buchberger entscheidend an diesem wegweisenden Projekt beteiligt, das die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft mit den Anforderungen an Nachhaltigkeit und Effizienz verbindet.

Im folgenden Interview gewährt Herr Buchberger Einblicke in die Herausforderungen, Innovationen und Visionen, die das Neubauprojekt der Fähre „Richmond“ prägen.

Die Flotte besteht derzeit aus sechs Fährschiffen, welche mit wenigen Ausnahmen täglich im Einsatz sind:

🚢 FS „Konstanz“, 1975

🚢 FS „Meersburg“, 1980

🚢 FS „Kreuzlingen“, 1993

🚢 FS „Tábor“, 2004

🚢 FS „Lodi“, 2010

🚢 LNG-Fähre FS „Richmond“, 2023


Basierend auf Vorgesprächen im Zuge der Wiederaufnahme der Arbeiten an FS RICHMOND mit dem ausführenden Unternehmen CIG Piping Technology und der jahrzehntelangen Expertise im Schiffbau fiel die Wahl für den Aufbau der grundlegenden Infrastruktur für die Rohrleitungssysteme und die Aufständerung des Flurbodens im Maschinenraum rasch auf Sikla Schiffbau & Offshore.

⚓Mit welchen Aufgaben sind Sie im Projekt betraut?

An allererster Stelle in diesem Projekt stand für mich die Projektleitung. Bei einer solchen Aufgabe ist es wichtig, die verschiedenen Gewerke zu koordinieren und den Baufortschritt zu organisieren. Die Planung und Umsetzung des Antriebs sowie die Planung der Bebunkerung – Beladen des Schiffs mit Waren und Flüssigerdgas – waren dabei nur einige der zentralen Aspekte.
Die Überwachung der Einhaltung des Budgets gehört ebenso zu den Aufgaben, die nicht zu unterschätzen waren. Ein konkretes Ziel, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit, bestand darin, das in der vorangegangenen Entwurfs- und Bauphase stark überschrittene Design-Gewicht so stark wie möglich zu reduzieren, um den Kraftstoffverbrauch entsprechend zu senken - hier spielte Sikla eine entscheidende Rolle.

⚓ Sie haben für Ihren jüngsten Fähren Neubau ein völlig neues Konzept gewählt. Können Sie kurz die technischen Besonderheiten der Fähre und die Gründe für Ihre Entscheidung nennen?

Im Jahr 2014 wurde das Projekt FS14 ins Leben gerufen, wobei die Wahl des Antriebs im ersten Schritt von zentraler Bedeutung war. Angesichts der Nachhaltigkeitsziele war ein konventioneller Dieselmotor keine Option und ein vollelektrischer Antrieb war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Akkutechnologie nicht realisierbar. Basierend auf damaligen Untersuchungen und Erfahrungen im Schiffbau wurde festgestellt, dass ein Antrieb auf Basis von LNG (Flüssigerdgas) die wirtschaftlichste und ökologisch nachhaltigste Lösung darstellt. LNG als Kraftstoff im Schiffbau bietet eine emissionsärmere Alternative zu dieselbetriebenen Motoren. Durch diese Lösung ist das Fährschiff eines der ersten Binnenfahrgastschiffe Europas, das mit einem derartigen Antrieb ausgestattet ist. Zudem kann ohne technische Umrüstung auf Bio-LNG umgestellt werden, was die Emission von Klimagasen auf nahezu null reduziert.

Die Namensgebung des Fährschiffs knüpft an die Tradition der Schwesterschiffe an und ehrt die Partnerstadt von Konstanz, Richmond.

Am 17. Juni 2023 wurde das Schiff offiziell auf den Namen getauft.

Geplant war, dass die Fähre 2019 den Betrieb aufnimmt, tatsächlich wurde sie aber erst im Juni 2023 getauft. Welche Schwierigkeiten gab es und vor welchen Herausforderungen standen Sie aufgrund der Verzögerungen?

Der bedeutendste Rückschlag in diesem Projekt trat mit der Insolvenz der damaligen Bauwerft ein. Das daraus resultierende Chaos erforderte zunächst eine umfassende Aufarbeitung und Bereinigung. Unser Ziel, den Betrieb der Fähre weiterhin zeitnah aufzunehmen, blieb bestehen. Es erforderte ein komplettes Jahr, den zum Zeitpunkt der Übernahme unklaren Projektstand zu klären, die bisherigen Baufortschritte zu dokumentieren und einen detaillierten Plan für das weitere Vorgehen auszuarbeiten. Zusätzlich zu diesen Herausforderungen kamen gesellschaftliche Unwägbarkeiten hinzu, bedingt durch die COVID-19-Pandemie, wie beispielsweise die Einhaltung von Abstandsregeln am Bau und die Unsicherheit unter den Mitarbeitern. Darüber hinaus trug die politische Krise, insbesondere der Ausbruch des Ukraine-Krieges, zur Verschärfung der Projektherausforderungen durch den Einfluss auf Lieferzeiten sowie Kosten bei. Diese Umstände führten dazu, dass die größten Hindernisse des Projekts, nämlich erhöhter Budgetbedarf und Zeitverzug, unvermeidlich wurden.

Sie haben die Fähre schließlich als Betreiber in Eigenregie fertig gestellt, ungewöhnlich und sicherlich extrem herausfordernd. Dabei haben Sie Sikla Schiffbau & Offshore als einen Ihren Partner für die Endausrüstung des Kaskos gewählt. Was hat hierfür den Ausschlag gegeben?

Ihr Kollege hat in einem Gespräch einmal eine Analogie zum Baukastenprinzip eines bekannten Herstellers von Klemmbausteinen gezogen. Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit Ihrer Produkte an örtliche Gegebenheiten waren für uns entscheidend. In solchen Projekten plant konventioneller Weise jedes Gewerk seine eigenen Befestigungslösungen für Halterungen, Rohre oder Kabelverläufe. Hier war es äußerst vorteilhaft, eine Lösung zu haben, die mehrere Gewerke effizient abdecken kann, ohne dass jeder einzelne aufwendige Anpassungen vornehmen muss. Darüber hinaus war es nicht erforderlich, zusätzliche Fundamente für die Räume zu setzen, in denen die Flurböden mit Material von Sikla gehaltert wurden. Stattdessen konnten wir den vorhandenen Bauraum äußerst effizient nutzen, indem wir das Schienensystem einsetzten.

⚓ Welche Erfahrungen haben Sie durch den Einsatz der Sikla Systeme gemacht? Wie hat sich der Einsatz auf das Gesamtprojekt in Bezug auf Schnittstellen der Einzelgewerke, Termintreue, Budget und Qualität des Schiffes ausgewirkt?

Die Verankerung der Bolzen am Schiffsrumpf beanspruchte den Großteil der Vorbereitungszeit. Durch das einfache Durchstecken des Bolzens in die Schienen und Verschrauben dieser, konnte die ursprünglich für das Grundgestell geplante Vorlaufzeit, die auf klassischem Stahlbau basierte, drastisch reduziert und viel Gewicht eingespart werden. Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft dieses Projekts war das von der Firma CIG Piping Technology errichtete Handlager auf der Baustelle. Dieses Lager wurde regelmäßig von Sikla bestückt, was einen reibungslosen Baufortschritt ohne lange Wartezeiten auf fehlende Teile gewährleistete. Insgesamt bot das Sikla-Produktsystem den Vorteil, dass das erwartete Mehrgewicht im Schiffsrumpf erheblich reduziert werden konnte.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit Sikla beschreiben?

(Beantwortet durch das ausführende Unternehmen CIG Piping – Herr Ludewigt)

Wir benötigten eine zentrale Einrichtung, die sowohl Vorarbeiten wie das Ablängen der Schienen ermöglichte als auch als Lager für alle beteiligten Gewerke fungierte. Sikla entwarf für uns die Innenausstattung eines Baustellencontainers, die perfekt auf die Anforderungen unseres Projekts zugeschnitten war. Innerhalb eines halben Tages setzten wir diesen Entwurf mithilfe der gelieferten Sikla-Produkte um. Dank dieser zentralen Lagerhaltung konnten kurzfristige Materialbedarfe schnell erkannt und durch "Just-in-time"-Lieferungen von Sikla abgedeckt werden. Sowohl der Innendienst als auch der Außendienst von Sikla standen bei Fragen jederzeit zur Verfügung und unterstützten uns tatkräftig. Die Zusammenarbeit verlief reibungslos und ohne nennenswerte Probleme. Das Konzept des zentralen Lagers und die Modularität des Systems überzeugten alle beteiligten Gewerke und wurden daher projektweit angewendet. Durch diese effektive Zusammenarbeit konnte nicht nur die Bauzeit verkürzt, sondern auch Gewicht eingespart werden.

⚓ Gibt es Planungen für die Erweiterung Ihrer Flotte?

Der Bau neuer Fährschiffe ist mit erheblichen Kosten verbunden. Daher liegt der Fokus derzeit verstärkt darauf, die fünf bestehenden Schiffe umzubauen und zu modernisieren. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Motorisierung gelegt und es werden Maßnahmen zur Dekarbonisierung vorangetrieben.

⚓ Was würden Sie bei neuen Projekten anders machen? Was würden Sie beibehalten?

Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen, würden wir bei neuen Projekten von Anfang an auf das Schienensystem von Sikla Schiffbau & Offshore setzen. Die dadurch erzielte Zeitersparnis und Gewichtsreduktion sind entscheidende Gründe hierfür. Jedoch ist es von größter Bedeutung, dass alle beteiligten Gewerke und Monteure gründlich in den Umgang mit dem verbauten System geschult werden und die Vorteile für ihre jeweiligen Bereiche verstehen. Eine Unterstützung durch Sikla bei der Baubetreuung wäre auch für zukünftige Projekte von Interesse, um den Baufortschritt zu überwachen und Optimierungen während des Prozesses umzusetzen. Sollte bereits in der Planungsphase Zeitdruck spürbar sein, könnte auch die angebotene Konstruktionsbetreuung durch Sikla eine interessante Option darstellen.

Im Interview mit Daniel Buchberger haben wir faszinierende Einblicke in das Neubauprojekt des Fährschiffs „Richmond“ erhalten. Von den Herausforderungen und Rückschlägen bis hin zu den innovativen Lösungen und dem Engagement für Nachhaltigkeit war es eine inspirierende Reise durch die Welt des Schiffbaus. Wir danken Herrn Buchberger für seine Zeit und seine wertvollen Einblicke.
Mit Spannung erwarten wir die Fortschritte und Erfolge dieses wegweisenden Projekts und wünschen ihm und seinem Team weiterhin viel Erfolg auf ihrem Weg in die Zukunft des Seeverkehrs.

Patrick Merkt

Geschrieben von Patrick Merkt

Head of Local Marketing & Product Management

patrick.merkt@sikla.com

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