von Hans Georg Aufmhoff am 07 September 2022
Umnutzungen von Gewerbebauten und Industrieanlagen können erhebliche bauliche Veränderungen zur Folge haben. Beispielsweise durch bauphysikalische Veränderungen, Eingriffe in das Tragwerk mit Auswirkungen auf die Gebäudestatik, aber auch brandschutztechnische Eingriffe, z.B. durch das Einbringen erhöhter Brandlasten in das Gebäude. Eine Umnutzung ist i.d.R. genehmigungspflichtig und Bedarf im Vorfeld einer genauen Analyse der zu erwartenden Brandlasten sowie vorhandener baulicher Mängel. Eine Erhöhung der Brandlasten kann Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der tragenden und aussteifenden Bauteile haben.
Zur Bemessung der Tragfähigkeit der relevanten Bauteile bietet die Muster-Industriebau-Richtlinie drei Möglichkeiten:
Anforderungen an Baustoffe und Bauteile von Industriebauten
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Brandabschnitte |
Brandbekämpfungsabschnitte |
Brandabschnitte bzw. Brandbekämpfungsabschnitte |
Verfahren ohne Brandlastermittlung |
Verwendung des Rechenverfahrens nach DIN 18230-1 |
Mithilfe von Nachweisen mit Methoden des Brandschutzingenieurwesens |
Nach Abschnitt 6 der IndBauRL |
Nach Abschnitt 7 der IndBauRL |
Nach Anhang 1 der IndBauRL |
Tab. 1: Anforderungen an Baustoffe und Bauteile von Industriebauten
Ein Ergebnis einer (Neu-) Bemessung der Tragfähigkeit der tragenden und aussteifenden Bauteile kann ergeben, dass eine Erhöhung der Tragfähigkeit für den Brandfall gem. einer ermittelten Feuerwiderstandsdauer durch Aufbringen von Produkten, welche den Wärmedurchgang in die Stahlbaukonstruktion verzögern, erreicht werden muss. Hierzu bietet der Markt diverse Lösungen:
- Feuerschutzplatten
- Steinwoll-Dämmplatten
- Brandschutzputz
- Brandschutzbeschichtung
Brandschutzbeschichtungen können „unerkannt“ bleiben
Abb. 1: Quelle „Rudolf Hensel GmbH“
Speziell bei Verwendung einer dekorativen Brandschutzbeschichtung, ausgelegt für Temperaturverläufe von Zellstoffbränden nach der Einheitstemperaturzeitkurve (ETK), ist es für Unerfahrene nicht immer unmittelbar erkennbar, dass es sich um eine solche handelt. Genau an dieser Stelle ist für Verarbeiter und Planer Aufmerksamkeit geboten.
Brandschutzbeschichtungen sind durch An- und Verwendbarkeitsnachweise geregelt und sind entsprechend dieser zu verarbeiten. Sie wirken i.d.R. intumeszierend, was bedeutet, dass im Brandfall sogenannte Dämmschichtbildner den Stahl ab einer bestimmten Temperatur durch Aufschäumen schützen. Dieser Prozess darf grundsätzlich nicht behindert werden, damit die Stahlprofile lückenlos bedeckt werden können und an statisch neuralgischen Punkten oder Flächen keine unkalkulierbaren Abminderungen der Tragfähigkeit verursacht werden. Im Extremfall könnte dies zu einem unplanmäßigen Einsturz des Gebäudes oder von Gebäudeteilen führen.
Nachträgliche Halterungen müssen individuell bewertet werden
Werden ohne vorherige Abklärung in großem Umfang Halterungskomponenten aus Stahl, wie z.B. Konsolen, Platten oder Profile an die beschichteten Profile geklammert oder geschraubt, wird im Brandfall …
1. ... der Dämmschichtbildner an den Kontaktflächen nicht aufquellen können.
2. ... über die ungeschützten Halterungskomponenten ein unplanmäßig hoher Wärmeeintrag in die Tragkonstruktion des Gebäudes eingeleitet.
Einen möglichen praktikablen Lösungsansatz bietet die DIN 4102 – 4 im Punkt 7.1.4 „Konstruktionsgrundsätze“, welche Folgendes besagt:
„Werden an tragenden oder aussteifenden Stahlbauteilen mit bestimmter Feuerwiderstandsklasse Stahlbauteile angeschlossen, die keiner Feuerwiderstandsklasse angehören müssen, so sind die Anschlüsse und angrenzenden Stahlteile auf einer Länge, gerechnet vom Rand des zu schützenden Stahlbauteile, bei den Feuerwiderstandsklassen
- F30 bis F90 von mindestens 30 cm und
- F120 bis F180 von mindestens 60 cm in
abhängig vom U/A-Wert der anzuschließenden Stahlbauteile zu bekleiden“
Interne Versuche mit Bauteilen aus dem siFramo-System
Sikla hat durch interne Versuche mit Bauteilen aus dem siFramo-System, beschichtet mit identischem Beschichtungsmaterial wie der tragende Stahlbau, erste Erkenntnisse über das Verhalten angeklammerter Bauteile erlangt.
In der Regel erfüllen die Bauteile der Befestigungs-Systemhersteller die Anforderungen an die Größe des U/A-Wertes nicht, so dass im Vorfeld an dieser Stelle der Brandschutzverantwortliche resp. Statiker projektbezogene individuelle Lösung für derartige Konstellationen vereinbaren muss. Die Erkenntnisse aus den Versuchen können hierbei eine Grundlage bieten, die es erlaubt, mittels einer Beschichtungsstrecke der Befestigungskomponenten z.B. von mindestens 30 cm, diese individuellen auf Einzelfälle bezogene Lösungen zu definieren.
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